Der Stasi-Filmsaal in der Leipziger MfS-Zentrale Dittrichring 24 gehört heute zum Bürgerrechts-Museum Runde Ecke. Daselbst wurde vergangenen Freitag von der Robert-Havemann-Gesellschaft ein famoser Bildband vorgestellt. Er heißt Gesichter der Friedlichen Revolution und versammelt Portraits von 63 Widersachern des SED-Regimes, die in Texten voll ruhiger Wärme gewürdigt werden. Viele schätze, manche bewundere, einige vermisse ich. Wenige kann ich nicht leiden. Von etlichen hörte ich zum ersten Mal, auch von dem Photographen Dirk Vogel. Der war zur Wendezeit 20 Jahre alt und tat Dienst in einem niedersächsischen Panzer-Bataillon der Bundeswehr. Seine Schwarzweiß-Studien sind Meisterwerke des fremden Blicks auf „unsere Menschen“.
Das Buch schließt mit Christoph Wonneberger, dem Leipziger Pfarrer, der die montäglichen Friedensgebete erfand – mutiger als seine Kirchenleitung. Das Revolutionsgedächtnis hat ihn fast vergessen. Am 30. Oktober 1989, inmitten des Umbruchs, erlitt Wonneberger einen Schlaganfall. Es beglückte, ihn jetzt auf dem Podium zu sehen, unverbittert, mit gelassener Selbstironie. Sein Portraitphoto zeigt ihnen neben einem Scherenschnitt von Don Quijote. Am Sonntag gab es weltweit Lesungen für den chinesischen Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo. Elf Jahre Haft sollen ihn brechen. Herta Müller las in Berlin. „Die Köpfe von Freiheitsbewegungen“, sagte sie, „kann man, glaube ich, in zwei Grundtypen einteilen: den Typus des Selbstüberschätzers und den Typus des Selbstzweiflers.“ 1989 brauchte und vereinte beide – wie dieses Buch.
Christoph Dieckmann
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